Ein - vorläufiger - Abschied von Kafalo Sékongo

Eine Reise voller Kreativität und Neuentdeckungen: Kafalo Sékongo mit upgecyceltem Spielzeug-Radfahrer aus der Elfenbeinküste
Eine Reise voller Kreativität und Neuentdeckungen: Kafalo Sékongo mit upgecyceltem Spielzeug-Radfahrer aus der Elfenbeinküste

Kafalo Sékongo war 9 Jahre lang Fachpromotor für internationale Bildungspartnerschaften. Ein prägender Wegbegleiter des EPiZ war er bereits lange vorher, und wird er auch in Zukunft bleiben.

Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen.

EPiZ: Wie hat Deine Reise mit dem EPiZ begonnen?

Kafalo Sékongo:

Das ist eine lange Geschichte, und hat viel mit meinem Arbeitsschwerpunkt, „internationale Bildungspartnerschaften“, zu tun.

In Bouaké in der Elfenbeinküste war ich Deutschlehrer, und kam 2002 über ein Stipendium von Bouakés Partnerstadt Reutlingen erstmals nach Deutschland. Auf einem Empfang in Reutlingen kam die damalige EPiZ-Geschäftsführerin Sigrid Schell-Straub auf mich zu und erzählte mir von der Kooperation zwischen dem EPiZ und Réseau École et Développement, einer NRO in Abidjan. Wir tauschten unsere Kontakte und entschieden zusammenzuarbeiten. Am selben Tag lernte ich Frau Tilly Neuweiler, Französisch- und Kunstlehrerin am BZN (Bildungszentrum Nord, heute HAP Grieshaber Gymnasium im BZN) Reutlingen, kennen. Die Idee einer Schulpartnerschaft zwischen dem BZN-Reutlingen und dem von mir initiierten Deutsch-Club am Lycée Belleville Bouaké ist somit entstanden. Die Schüler*innen beschäftigen sich mit Themen wie Wasser, Müll und Energie – damals geschah das noch via Brieffreundschaften mit einem ca. 3-wöchigen Schreib-Rhythmus. Später gab es dann in Bouaké Internetcafés und wir konnten auf wöchentliche Emails umsteigen. Die Briefe und Fotos waren Highlights für alle Teilnehmenden!

Trotz des nach meiner Rückkehr aus Deutschland begonnenen Krieges und der Besetzung von Bouaké durch Rebellen setzte ich meine Arbeit fort, und so konnte ich 2004 und 2005 als Begleitlehrer und Übersetzer mit zwei meiner Schüler*innen am internationalen Jugendtreffen der Stadt Reutlingen teilnehmen. Meine Schüler*innen und ich waren in Gastfamilien untergebracht. Jedes Mal bekamen wir zusammen mit anderen Jugendlichen aus den Partnerstädten Reutlingens einen Workshop im EPiZ. So ließ ich mich von den Methoden des Globalen Lernens beeindrucken. Auch 2005 organisierte das Bildungszentrum Nord einen Spendenlauf, um für unsere Schule Computer zu ermöglichen– dabei kamen 10.000 € zusammen. Die Schulleitung des Lycée Belleville stellte unserem Deutschclub einen Raum mit der für die Computernutzung notwendigen Klimaanlage zur Verfügung. Sie übernahm auch die monatlichen Kosten für die Internetverbindung. Die feierliche Eröffnung des Computerraums in Bouaké wurde dann per Skype nach Deutschland übertragen. Der Raum ist bis heute in Betrieb. Gleichzeitig war uns immer wichtig, dass wir uns auf das „Voneinander lernen“ fokussieren. Es war für die Schüler*innen in Bouaké wichtig, festzustellen, dass sie auch anderen, in dem Fall den Schüler*innen in Deutschland, etwas beibringen können, und das hat ihre und unsere Kreativität angeregt. Helfen ist immer auch problematisch, denn „die Hand, die gibt, ist die Hand, die lenkt“.

2010 organisierten wir in Kooperation mit der VHS Reutlingen und anderen Mitstreiter*innen dann einen dreiwöchigen Aufenthalt für Lehrkräfte aus Bouaké in Reutlingen, inkl. zweiwöchiger Hospitation. Damals lernte ich viel über die hiesige Mentalität, was für meine weitere Arbeit wichtig war.

2010 entschied ich auch, am Thema Bildungspartnerschaften von Deutschland aus mit dem EPiZ weiterzuarbeiten und nach Deutschland überzusiedeln. Zunächst arbeitete ich als Referent im Programm "Bildung trifft Entwicklung", bis ich im April 2013 zum Fachpromotor für Internationale Bildungspartnerschaften wurde.

EPiZ: Wie sah Deine Arbeit als Fachpromotor aus, und was waren Highlights und Herausforderungen?

Kafalo Sékongo:

Als Fachpromotor habe ich viele internationale Bildungspartnerschaften begleitet. Zu Anfang solcher Partnerschaften ging es oft darum, falsche Vorstellungen zu diesem Modell zu korrigieren: Im Norden wird oft gedacht, es gehe um „helfen“, im Süden um „bekommen“. Dies zu dekonstruieren ist schon der erste Lerneffekt, und macht die Teilnehmenden offen dafür, Neues zu entdecken. Ich habe mich als Brückenbauer zwischen zwei Kulturen verstanden und durfte interkulturelle Kommunikation in der Bildungsarbeit unterstützen.

Im Verlauf ging es oft darum, transformative Einstellungen zu fördern. Wie können wir mehr aufeinander achten? Wie gehen wir mit Sprache und kolonialen Kontinuitäten um? Dabei sind neben der Sensibilität und dem offenen Ohr für die anderen auch die Selbstreflektion wichtig – und sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Ich musste auch immer wieder Missverständnisse aufgrund von kulturellen Unterschieden zwischen Bildungspartner*innen klären.

Manchmal gab es sogar Konflikte zu schlichten, zum Beispiel, als gegen meine Meinung von Stuttgart aus Laptops nach Ouagadougou geschickt wurden. Die beiden Schulen hofften somit ihre Kommunikation zu beschleunigen. Leider, wie ich gefürchtet hatte, war die Enttäuschung auf deutscher Seite genau so groß wie die vorherige Hoffnung, als drei Monate nachdem Ihre Partner*innen die Laptops bekommen hatten noch keine einzige E-Mail in Sicht war. Was ich aber noch nicht gesagt habe, ist, dass es an dieser Schule in Ouagadougou weder stabilen Strom noch Internet gab. Die digitale Ungleichheit zwischen beiden Ländern, die Bürokratie in Burkina Faso und den technischen Aufwand, aus gebrauchten Laptops eine funktionierende Internet-Kommunikation aufzubauen, hatten beide Partner anscheinend unterschätzt.

Daher ist es oft nachhaltiger, einfacher anzufangen und manche Etappen nicht zu überspringen. Die Partnerschaft soll reif werden. Alles andere kommt dann von allein.

Ich war oft streng mit den Menschen im Globalen Süden, damit sie sich von der „Politik der ausgestreckten Hand“ entfernen. Nur so können wir den Respekt der anderen gewinnen und eine Partnerschaft auf Augenhöhe anstreben.

Highlights gab es viele! Zum Beispiel, als ein Student aus Bouaké (ein ehemaliger Schüler von mir, der durch die Partnerschaft öfters in Reutlingen war) die schwäbisch geprägte Rede der Reutlinger Oberbürgermeisterin ins Französische übersetzen musste, da sein Dozent mit der Aufgabe nicht mehr klarkam. Solche Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, internationale Begegnungsreisen zu fördern, um eine Fremdkultur und sowie die Prosodie ihrer Sprache zu meistern. Die Förderung von Bildungspartnerschaften bringt Erfolg. Dies war immer ein Motivationsschub.

Wir haben viele Partnerschaften, mit verschiedensten Akteuren angestoßen und begleitet, u.a. auch das Deutschlehrerprojekt mit der Reutlinger VHS. In Kooperation mit der Diakonie haben wir auch FSJ-Freiwillige aus Baden-Württemberg nach Bouaké entsandt und umgekehrt. Auf all dies bin ich stolz. Neben der sprachlichen Förderung und dem inhaltlichen Austausch waren oft die menschliche Entwicklung und die Stärkung der interkulturellen Kompetenz spürbar. Ich freue mich, dass sich insgesamt heute die Sprache in Deutschland langsam verändert, bzw. sensibler wird bezüglich der Vielfalt.

 

Herausforderungen hatten aber hauptsächlich mit Makrostrukturen zu tun, zum Beispiel wenn Visaanträge von Schüler*innen aus Ländern des Globalen Südens abgelehnt wurden. Das war schmerzhaft.

Leider ist auch die Streichung meiner Stelle einer formellen Finanzierungsentscheidung und Mittelkürzungen auf einer übergeordneten Ebene geschuldet. Das steht im krassen Gegensatz zum positiven Feedback und der großen Nachfrage, die ich bekomme. Und das, obwohl das EPiZ gerade bei Schulen in der Provinz eigentlich noch viel zu wenig bekannt ist.

 

EPiZ: Wie geht es für Dich weiter?

Kafalo Sékongo:

Glücklicherweise kann ich mein zweites Standbein, die Konzeption und Durchführung von Seminaren für „Bufdis“, weiterführen. Aber gleichzeitig bin ich auch weiterhin als Referent des Programmes „Bildung trifft Entwicklung“ über das EPiZ buchbar, und hoffe, auch weiterhin meine Expertise im Bereich Internationale Bildungspartnerschaften nutzen und einbringen zu können.

 

 

EPiZ: Was bedeutet das EPiZ für Dich, und was willst Du uns noch mitgeben?

Kafalo Sékongo:

Das EPiZ ist wie ein Zuhause für mich. Jede Ecke, nicht nur im Haus sondern auch die ganze Straße, ist mir so vertraut. Am wichtigsten aber ist die Menschlichkeit, die im EPiZ gelebt wird, auch über die Arbeit hinaus. Das ist ein großer Schatz, den es weiterzupflegen gilt.

Mein Dank geht an alle Kooperationspartner*innen, alle Kolleg*innen im EPiZ sowie im Promotor*innenprogramm, und an die beteiligten Schulen, für diese Haltung und ihre Wertschätzung. Ich habe viel dazugelernt, mich in dieser wertvollen Zeit weiterentwickelt und eine enorme Expertise gesammelt! Ich hoffe unsere Wege kreuzen sich wieder und wir treffen uns in anderen Konstellationen!

 

EPiZ: Das hoffen wir auch sehr, Kafalo! Bis bald!

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