Was machen die indische Physikerin und Aktivistin Vandana Shiva, die Präsidentin von Ecoropa (Europäisches Netzwerk für ökologische Reflektion und Aktion) und u.a. Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des gen-ethischen Netzwerks Christine von Weizsäcker, und der ghanaische König und Gründer der Universität für Landwirtschaft und Umweltstudien in Bunso, Nana Amoatia Ofori Panin Okyenhene, in Kirchberg/Jagst? Sie besuchen das „5. World Organic Forum“ (Welt-Forum für ökologische Landwirtschaft) im „Haus der Bauern“ im Schloss Kirchberg. Das EPiZ war als Partnerorganisation dabei. Julia Kramer vom EPiZ berichtet:
Das Forum stand unter dem Motto „Localizing SDGs – Creating a Global Network of Regions on Organic Soil“. In der Ausstellung „Regions across the World“ konnten wir unsere SDG-Materialien präsentieren.
Ein Podiumsgespräch mit dem Titel „Die SDGs, Landwirtschaft und regenerative Agrarkultur – nicht ohne starke Frauen!“ machte deutlich: Ökologische und regenerative Landwirtschaft ist weltweit ein wichtiger Schlüssel, um sowohl die ökologische als auch die soziale Frage auf dem Land zu lösen – und steht gleichzeitig zahlreichen Hürden gegenüber.
Im Einzelnen ging es um die Themen:
- Regenerative Landwirtschaft: Die Erde heilen
- Subsistenz: unabhängige Ernährung und Einkommen lokaler Gemeinschaften
- Ökologische Landwirtschaft und Welternährung
- Multidimensionale Krisen angehen
Ana Digòn von der Regenerative Agriculture Association in Iberia erklärte: „Regenerative Landwirtschaft bringt das Leben zurück in den Boden und zu den Bäuer*innen. Es geht um einen Perspektivwechsel: Die Bäuer*innen bauen den Boden an, der dann wiederum Pflanzen hervorbringt, die dann Tiere ernähren.“
Vandana Shiva forderte: „Reclaim the commons! Fordert die Allmende wieder zurück! Mit der Pflege der Gemeingüter Land, Saatgut usw. wird das Leben regeneriert. Dies kann und muss überall geschehen, jede*r kann lokal damit anfangen.
Lokale und insbesondere indigene Gemeinschaften praktizieren in vielen Teilen der Welt ökologische Landwirtschaftssysteme. Aber auch hier gibt es „Extraktivismus“ von Wissen, wie Christine von Weizsäcker sagte: Indigene Praktiken werden oft als „Innovationen“ durch Nicht-Indigene verkauft und vermarktet. Auch Wissenschaft sollte eine Allmende sein, aber durch „Public-Private-Partnerships“, also sogenannte „öffentlich-private Zusammenarbeit“, sei sie das nicht mehr. Christine von Weizsäcker ruft nach „ökologischer Demokratie statt Expertokratie“.
Vandana Shiva erzählte von der Rio+10-Konferenz 2002: Hier wurde Kritik geübt an der „Bullshit-Idee, die Welt durch ökologische Landwirtschaft in eine Hungersnot zu treiben“. Ihre Reaktion auf diese inhaltlich falsche Kritik war: „Bullshit kompostiert gut – und Kompost, das ist genau das, was wir für ökologische Landwirtschaft brauchen.“ Sie initiierte daraufhin ein „Kompost-Ritual“, um die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) in gute, lebendige Erde zu kompostieren. Christine von Weizsäcker betonte, dass die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele (SDGs), an deren Verhandlungen sie beteiligt war, ein unfertiger Kompromiss seien. Ihre Widersprüchlichkeit spiegle den Widerstreit von Ministerien der Verhandlungsländer wieder. Es sei gut, die SDGs zu nutzen und gleichzeitig zu kritisieren und selbst mit Sinn zu füllen. Ernährungssouveränität habe es z.B. nicht in die SDGs geschafft. Außerdem brauche es mehr legal verbindliche Strukturen, wie zum Beispiel eine Biodiversitäts-Konvention. Einklagbarkeit sei natürlich etwas, das die Lobby der Industrie etc. vermeiden und untergraben wolle. Erfreulich sei aber, dass viele Länder das Anliegen unterstützen, dass Ökozid als krimineller Akt vor dem Internationalen Strafgerichtshof anklagbar werden soll. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Investoren und die WTO die Welt regieren“, sagte sie, und betonte: „Seit der letzten Konferenz in Glasgow wird nun klar: Die großen Umweltverschmutzenden werden bezahlt und machen die Regeln. Die Reichen sammeln durch „business as usual“ Geld an, das sie dann verwenden können, um sich aus der Krise rauszukaufen.“
Christine von Weizsäckers Resümee war: „Um die aktuelle multidimensionale Krise zu bestehen, brauchen wir systemische, multidimensionale, sektorübergreifende, inter- und transdisziplinäre, sowie partizipatorische Ansätze für einen dramatischen Fokus-Wechsel. Schicke technik-basierte Reparaturen einzelner Probleme werden nicht genügen. Und wir müssen lokale potentiell Betroffene auf allen Ebenen bis zur UN-Ebene daran beteiligen, im Bereich der Katastrophenprävention Frühwarnsysteme und Bewältigungsmechanismen für Mehrfachkrisen zu entwickeln.“ Janet Maro Wostry, Mitbegründerin und Vorsitzende von „Sustainable Agriculture Tansania“, betonte hierbei ganz praktisch, dass es gerade in Krisenzeiten einfacher ist, auf ökologischen Dünger, wie Kompost und Leguminosen, zu setzen als chemische Düngemittel zu subventionieren.